Eingezwängt zwischen einem riesigen Ofen aus konkav eingetieften Kacheln und einem nicht weniger überdimensionierten Sitzmöbel, das dicht an die Ofenbank herangerückt und mit ihr zusammengeschoben ist, wird der im Hausrock und in Ledertrippen Eingeschlafene von einem teuflischen Dämon, der ihm mit einem Blasebalg hinters Ohr bläst und dessen stachliger Schweif, vom Rand überschnitten, oben rechts wieder ins Bild hereinfährt, sowie von der nackten Venus heimgesucht. Den Schlafenden hat acedia, das Laster der Trägheit, erfasst. Cupido versucht auf Stelzen zu gehen und hat eine Kugel, Sinnbild der Unbeständigkeit bei sich. Zu dem unwirklichen Charakter der Szene gehört auch der dunkle, schräg ansteigende Hintergrund, der den schmalen Bildraum ins Unendliche öffnet. Die Bildgegenstände sind nah beieinander und nach den Gesetzen der Perspektive konstruiert, doch ist ihr Ort im Raum nicht fixierbar. Weil eine Traumwelt dieses Blatt beherrscht, erscheint es sinnvoll, statt vom Traum des Doktors eher vom ?Traum des Trägen? zu sprechen.
Von Venus wurde gesagt, sie sei ein Prototyp der Eva in Dürers Adam und Eva-Stich aus dem Jahr 1504. Diese Venus ist gewissermaßen auch Eva. Der Apfel zwar, auf den sie zu zeigen scheint, ist ihrer Hand entglitten und schmort in labiler Position über einer Abschrägung des Ofens, in der Nähe und in gleicher Höhe mit einem kümmerlichen Gebilde, vielleicht einer Frucht oder einem Zuckerballen. Doch krümmen sich, dem Träumer verborgen, dem Betrachter aber deutlich vorgeführt, die Finger ihrer Linken angestrengt, fast schmerzhaft zum Zeichen der Fica, das ihre Offerte offenbart. Obwohl sie ihm im Einzelnen korrespondiert, und gerade weil auf eine Adam-und-Eva-Beziehung angespielt wird, ist doch die Kluft zwischen dem Träumer und Venus, als eine zwischen Trägheit und Vitalität, unüberwindlich.

Lit: nach Ulrich Kuder, in: Ausst.-Kat. Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kunsthalle zu Kiel 2004.

Inventory Number: 1947-SHKV 16

Signature: bezeichnet (u. Mitte: AD)