Bildbeherrschend ist ein mit breiten Pinselstrichen geformtes, kalligraphisches Gitterwerk. Ein in kleineren Flächen aufgetragenes, leuchtendes Dunkelgrün hebt sich davor in der Bildmitte ab. Auf einer weiteren Ebene davor bilden die mit schmalem Pinsel und dabei sehr pastos gemalten Lineaturen aus grünen und braunen Tönen eine Art zweites Gitterwerk. Durch blaue Lineamente erfährt die Gesamtstruktur des schwarzen Gitters eine zusätzliche Akzentuierung. Der in Grautönen gehaltene Bildraum öffnet sich nach hinten und erlaubt den Blick auf blau-rote bzw. blaue Flächen.

Wie seinen zeitgenössischen Kollegen Nay oder Baumeister ging es auch Winter in seinen Werken darum, immerwährende und gültige Dinge oder Zusammenhänge des dynamischen Weltgeschehens jenseits des Sichtbaren in Form von Zeichen, Farben und Strukturen zum Ausdruck zu bringen: "Gegenüber Winters Bildern beginnen die Begriffe ?gegenständlich? und ?abstrakt? zu versagen. Wir sehen da Diagramme von Energien, Strukturen, Kraftfelder, feine kristallene Grundmuster, die wir wiederzuerkennen glauben, weil ihre innere Natürlichkeit und Notwendigkeit uns vermuten lassen, daß wir uns hier ähnlichen Gestaltungen gegenüberfinden wie die, in denen sich Natur im lebendigen Vollzug ihrer Lebensregungen einzeichnet und die den Maler auffordern, auch seinerseits sein Erlebnis der bewegten Natur in ähnlich lebendige Diagramme zu verwandeln. "Es geht bei Winter letztlich um "das Wachsen des Lebendigen, die Triebkräfte der Erde, das Vegetative, das Wehen und Strömen."7

Sein Gemälde ist eine Art Naturkraftsymbol, bei dem Graphisches und Malerisches zu einer spannungsreichen Einheit gebracht werden. Der ehemalige Schüler Paul Klees, Wassily Kandinskys und Oskar Schlemmers zeigt auch in diesem rein abstrakten Werk noch seine enge Bindung an die (geistigen) Errungenschaften des Blauen Reiters.
Th. R.

7 Werner Haftmann, zit. n. Horst Keller, Einführungstext, in: Ausst. Kat. Fritz Winter, München, Kassel, Lübeck, Münster, München 1976, S. 39

Literatur:

• Rodiek, Thorsten / Brigitte Heise / Gerhard Gerkens / Hildegard Vogeler / Ulrich Pietsch / Susanne Peters-Schildgen: Geschenkt - Gestiftet - Gekauft, Hamburg: ConferencePoint Verlag, 2003

Inventarnummer: 1975-79

Signatur: signiert und datiert (u.l.: F. Winter 57)

Signatur: bezeichnet (rückseitig: Mit Grün/Winter 57)

Ikonographie:

Abstrakte, ungegenständliche Kunst