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Objektbezeichnung:Gemälde
Sachgruppe:A. Gemälde
Hersteller:
Krieg, Dieter
Datierung:1993
Maße:H: 300 cm, B: 211 cm
Material:Leinwand
Technik:Acryl
Öl
Das Bild zeigt einen banalen Gegenstand: einen braunen Stuhl. Dieser ist aggressiv, lapidar und perspektivisch falsch ins Bild gesetzt. Ein Bein und die diesem entsprechende Verlängerung bis hinauf zur Rückenlehne fehlen. Sein Schatten wird leicht angedeutet. Bei genauerem Hinsehen erkennt man auf der Sitzfläche das in roten Buchstaben fett und pastos aufgetragene, geschriebene Wort "Lügn".

Die "Fehler" des Künstlers sind beabsichtigt. In der Tradition eines René Magritte konfrontiert der Maler uns mit der anderen Realität des Bildes, daß eben nicht die Realität abbildet, sondern aufgrund seiner Zweidimensionalität anderen, nämlich bildmäßigen Gesetzen gehorcht. Was in der Realität falsch wäre, kann im Bild künstlerisch durchaus richtig sein. Hier geht es um Komposition, Formen und Farben, die eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und demzufolge nur eine Scheinrealität, eine künstliche Wirklichkeit darstellen, die auf ein Anderes verweist. Möglicherweise dachte Krieg bei der Genese dieses Bildes an die Worte Picassos, der sagte: " Wir wissen alle, daß Kunst nicht Wahrheit ist. Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt, wenigstens die Wahrheit, die wir als Menschen begreifen können. Der Künstler muß wissen, auf welche Art er die anderen von der Wahrhaftigkeit seiner Lügen überzeugen kann. Wenn er in seinem Werk nur zeigt, daß er gesucht und untersucht hat, auf welche Art er uns seine Lügen vorsetzen könnte, dann brächte er nie irgend etwas zustande."1 Auf solch eine Art Lüge dürfte sich das "Lügn" beziehen.

Die Banalität des Gegenstandes und die überaus heftige malerische Wiedergabe in einem diesem scheinbar unangemessenen Großformat ist kennzeichnend für Kriegs Oeuvre. Dabei wird die Malerei selbst wichtiger als das von ihr wiedergegebene Motiv. Bewußt greift er Motive der ordinären Dingwelt auf, die bis dato noch keinen Eingang in die Kunst gefunden haben. Er ist ein Anhänger der "Wonnen der Gewöhnlichkeit".2

Krieg vermag es, dem Banalen und Gewöhnlichen, dem uns Vertrauten etwas Verletzendes und zutiefst Verstörendes zu geben. Ihm gelingt es, eingefahrene Denkschemata und Vorstellungen in Frage zu stellen und zugleich zu beunruhigen. Wir werden hier Zeuge einer ironisch-pessimistischen Weltsicht, die das Brutale und Zerrissene unserer Gegenwart veranschaulicht: "Diese Ding-Vergewaltigungen sind als Metapher für Ereignisse mit der Assoziation zu Folter, Schmerz, Peinigung und Qual anzusehen, deren heroisch-pathetischer Reichweite sich der Künstler mißtrauisch - ? -, entzieht, sie unterläuft, sie statt dessen auf der prosaischen Ebene ansiedelt."3
Th. R.

1 Pablo Picasso, zit. n.: Werner Hofmann, Grundlagen der modernen Kunst, Stuttgart 1966, S. 483 f.
2 Peter Winter, Der Pfahl im Fleisch, in: Dieter Krieg, Künstler, Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 7, München 1989
3 siehe oben S.11

Inventarnummer: 1995-72

Signatur: unbezeichnet