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Gelbes Relief

Objektbezeichnung:Relief
Sachgruppe:Dreidimensionale Bildwerke
Künstler:
Tapper, Kain
Datierung:1992
Maße:H: 205 cm, B: 85 cm
Material:Holz
Technik:geschnitzt
Dispersion
Der finnische Bildhauer und Zeichner Kain Tapper liefert mit seinen Holzskulpturen und Reliefs den bedeutendsten Beitrag Finnlands zur Skulptur der Moderne. Seine Skulpturen besitzen vermeintlich innewohnende Kräfte und vermögen das zu verkörpern, was gemeinhin mit der Seele des finnischen Volkes, der finnischen Landschaft und Kunst assoziiert wird. Von Beginn an hat die Tiefe und Unergründlichkeit der Wälder und der Seen mit ihren spiegelnden Oberflächen den Künstler fasziniert und geprägt. Die Skulpturen sind aus in Skandinavien typischen Hölzern wie Birke, Espe oder Kiefer, ihre Oberflächen sind rau, die Bemalungen im Wortsinn vielschichtig. Seine Themen fand der Künstler in der Natur, der Landschaft und den Lebewesen. Werden und Vergehen, Zeit und Vergänglichkeit sind ein zentrales Motiv.
Anfang der 1990er Jahre entdeckte Kain Tapper während seiner zahlreichen Italienreisen die Landschaft Etruriens und die Kunst der Etrusker. Die Besuche etruskischer Nekropolen vermittelten ihm ein Schlüsselerlebnis, das von seiner Frau, der Schriftstellerin Riika Vepsä-Tapper, geschildert wird: „[?] Als Kain das erste Grab sah, war er von der Patina auf dem Tuffstein erschüttert ? Das kann nicht wahr sein! Das habe ich doch mein ganzes Leben gesucht. Unbewusst hatte Kain in seinen Holzskulpturen die gleiche Farbe benutzt wie die, die in Tausenden von Jahren auf dem Lavagestein durch die Einwirkung von Sonne, Regen und Wind entstanden war [?].“
In Folge dieses Erlebnisses entstanden seit den 1990er Jahren zahlreiche Reliefs, Stelen und „Sarkophage“, die die Thematik Tod und Grab aufarbeiten, Themen, die Tapper bereits auch in früheren Werken wie „Trauermarsch“ (1962), „Grab einer Prinzessin“ (1988) oder den wiederholten Darstellungen von ? begrabenen bzw. wieder ausgegrabenen ? Schädeln künstlerisch bearbeitete. Das großformatige Werk der Provinzial Versicherungen, „Mumien“ von 1996, steht in einer Reihe von gleichnamigen Werken, meist Reliefs, die Jens Christian Jensen treffend als „Grabdeckel und Leinentuch in einem“ charakterisierte. Die Grenze zwischen Skulptur, Malerei und Relief scheint in ihnen verwischt zu sein.
Wie ein Schrein umschließt ein schmaler verglaster Rahmen das hochrechteckige Relief, das vertikal aus sechs Brettern zusammengefügt ist. Auf der rauen Oberfläche der Bretter liegt eine unregelmäßige weiße, mit Gelb, Rosa oder Grau gebrochene pastose Bemalung, die jedoch die Fugen und Struktur der Bretter nicht vollständig verdeckt. Eine immer wieder durchbrochene dunkle Kontur umschließt drei hohe, schlanke Formen, die oben und unten abgerundet sind und im Zusammenklang mit dem Titel des Bildes an den Umriss von Mumien erinnern. Die Farbgebung lässt Assoziationen an die Erd- und Gesteinstöne der etrurischen Landschaft zu, das Weiß mag als Farbe des Südens interpretiert werden, und, wie in der griechisch-römischen Antike, als Farbe des Todes.
Die oben zitierte Anekdote scheint direkt auf das Mumien-Relief hinzuweisen, nennt gleichzeitig aber auch die Wurzeln der Kunst Kain Tappers: die kindlichen Naturerlebnisse und die Kunst alter Völker, die er auf seinen Reisen kennen lernte. In ihnen sah er das Reine und Unverfälschte, auf das er sich zurück besann, um sich nicht einem bestimmten Stil unterzuordnen. Die über Jahrhunderte gewachsene Patina der etrurischen Gräber hat in der schrundigen Oberfläche des Reliefs „Mumien“ eine Entsprechung gefunden. Der ungleichmäßige Farbauftrag, die verwischten Konturen, die nicht geschlossenen Fugen der Bretter künden von Vergänglichkeit. Nicht von ungefähr arbeitete Tapper überwiegend in Holz, das dem Verfall viel stärker ausgesetzt ist als Stein. Seine in freier Natur der Witterung ausgesetzten Skulpturen belegen, dass dies ein Moment ist, das er mit in Betracht gezogen hat.
Das Geheimnisvolle, das antiken Grabanlagen und Mumien anhaftet, das Mythische und der Verweis auf Ewigkeit und Vergänglichkeit, teilen sich auch dem Betrachter des Mumien-Reliefs von Kain Tapper mit. Künstler und Betrachter treffen sich darüber hinaus in dem Bestreben, hinter die Oberfläche des Reliefs zu blicken, um in die Tiefe, das Wesen der Dinge einzutauchen wie in die Tiefen eines finnischen Waldes.
Dorothee Bieske

Inventarnummer: 881kata

Abbildungsrechte: Provinzial Kunstsammlung