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"Erwürgt nicht die junge Freiheit" |
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Im Dezember 1918 ging die Revolution in eine radikale Phase über, und die Auseinandersetzungen zwischen den gemäßigten sozialdemokratischen Kräften und dem radikalen Spartakusbund gewannen an Schärfe. Gewaltsame Straßenkämpfe waren die Folge. Der expressionistische Künstler Max Pechstein appellierte mit seinem Plakat an die Bevölkerung, die junge Demokratie vor einem blutigen Bürgerkrieg nach russischem Vorbild zu schützen. Das Kleinkind symbolisiert zum einen die noch junge deutsche Demokratie und die Freiheit der Republik, die es zu schützen galt, zum anderen verweist es aber auch in einem allgemein zu verstehenden Sinn auf Kinder, die in Zeiten von Hunger und Not besonders gefährdet sind. Aus der Masse von Plakaten, die in den ersten Monaten während der Revolution im Auftrag des "Werbedienstes der deutschen Republik" entstanden, stellen die expressionistischen Plakate eine Besonderheit dar. Im wilhelminischen Kaiserreich vom offiziellen, akademischen Kunstbetrieb abgelehnt, bildeten die Expressionisten eine künstlerische und geistige Avantgarde, die sich mit ihren Werken gegen die engen Moralvorstellungen und den starren, akademisch geprägten Kunstbegriff der bürgerlichen Gesellschaft auflehnte. Nicht eine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe des Motivs, sondern die Darstellung innerer, seelischer Vorgänge und Gefühle bestimmten die expressionistische Malerei, deren Stil sich vor allem durch eine Steigerung und Dynamisierung des Ausdrucks auszeichnet. Die Expressionisten arbeiteten mit dem Mittel der formalen Reduktion und Deformation sowie der Flächigkeit, wobei eine knappe, kantige Kontur für ihren Stil charakteristisch ist. Viele expressionistische Künstler, wie Max Pechstein und César Klein, bekannten sich zu den Zielen der Novemberrevolution, in der sie den Aufbruch in eine "neue Gesellschaft" sahen. Sie initiierten noch im Jahr 1918 die Gründung der "Novembergruppe", deren Mitglieder ihre Kunst ganz in den Dienst der Revolution stellten. Als zentrales Propagandaorgan der jungen Weimarer Republik vergab der "Werbedienst der deutschen Republik" - die veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen berücksichtigend - Aufträge nicht nur an die etablierten Gebrauchsgrafiker der Vorkriegsjahre, sondern auch an die expressionistischen Künstler, die bei ihren Entwürfen alle bis zu diesem Zeitpunkt üblichen Gestaltungsprinzipen für Plakate rigoros missachteten. Als Zeichen des politischen Neuanfangs schien ein Bruch mit dem von Lucian Bernhard geprägten und primär für kommerzielle Zwecke genutzten Typus des Sachplakats unumgänglich, da sich dieses laut Adolf Behne, dem Sprecher des 1919 gegründeten "Arbeitsrats für Kunst", aufgrund seines "kapitalistischen Stils" nicht als Propaganda für die "neue Ordnung" eigne. Dahingegen erschienen ihm die expressionistischen Plakate mit ihrer kraftvollen Formensprache als geeignetes "Werbemittel". Für kurze Zeit avancierte der Expressionismus zur "Staatskunst", schien doch der "revolutionäre", dynamische Stil der expressionistischen Kunst den Geist der neuen Zeit am treffendsten ausdrücken zu können. Allerdings erfolgte bereits im März 1919 eine Abwendung von dem expressionistischen Plakat, da sich der Großteil der Arbeiterschaft diesem gegenüber äußerst ablehnend zeigte. Die moderne, sich der Reduktion und Deformation bedienende expressionistische Formensprache war ihnen unverständlich und entsprach auch nicht den vertrauten Sehweisen. Die Arbeiter vermuteten in der Art der Darstellung einen Mangel an Achtung. Das Experiment mit dem expressionistischen Plakat wurde daher bereits nach wenigen Monaten erfolglos abgebrochen. Inventarnummer: 132 c/1987 |
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