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Grönauer Altar |
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In der Sammlung des St. Annen-Museums ist der sogenannte Grönauer Altar der einzige mittelalterliche Hochaltar, der heute noch in Lübeck erhalten ist, während alle anderen Altäre Bruderschaften oder privaten Stiftern der Hansestadt gehörten. In Flandern wurde Anfang des 15. Jahrhunderts durch Mechanisierung der Sägearbeit die Möglichkeit entwickelt, Altarteile "serienmäßig" herzustellen und im Baukastensystem zu großen Schreinen zusammenzusetzen, die zu begehrten Exportartikeln wurden. Einen solchen "modernen" Schrein wählten die Vorsteher der Aegidienkirche als ihren Hochaltar. In Lübeck erweiterte man, entsprechend der norddeutschen Tradition, die einflüglige Ausführung um ein weiteres Flügelpaar. Bis zur Barockzeit blieb das Retabel der Hauptaltar der Kirche. 1701 wurde es durch einen damals zeitgemäßen Hochaltar ersetzt und in einer Seitenkapelle abgestellt. Acht Jahre später übergab man den mittelalterlichen Schrein der Kapelle des Siechenhauses von Klein-Grönau. Bereits in der Aegidienkirche hatte man die gemalten Außenflügel entfernt, schwarz überstrichen und seitlich beschnitten, um sie hier als Anschreibetafeln für die Kommunikanten verwenden zu können. 1911 überwiesen die Vorsteher der Grönauer Kapelle den Altar an das Museum; im selben Jahr wurden auch die Außenflügel aus der Aegidienkirche der Sammlung übergeben, so daß die Teile des Altars zwar nicht zusammengefügt, aber in einem Raum nebeneinander aufgestellt werden konnten. Der Altar zeigt ein Bildprogramm, das in dieser Zeit in Norddeutschland ungewöhnlich war: In das Zentrum des Schreins ist die Kreuzigung gestellt und über das Niveau der Darstellungen zur Rechten und zur Linken hinausgehoben.(1) Der Tod am Kreuz ist Höhepunkt der Passion Christi, deren Stationen von links nach rechts in chronologischer Folge ablaufen: Gebet am Ölberg, Gefangennahme, Christus vor Pilatus, Dornenkrönung, Geißelung, Kreuztragung, Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung, Auferstehung, Christus in der Vorhölle (Totenreich), Himmelfahrt, Ausgießung des Heiligen Geistes (Pfingsten). Häufig war auf norddeutschen Hochaltären Anfang des 15. Jahrhunderts im Mittelpunkt die Marienkrönung zu sehen, eingefügt in eine Reihung von Apostelfiguren. Nach der Ankunft des Altares in Lübeck wurde nicht nur die Form, sondern auch das Bildprogramm dem hiesigen Brauch angepaßt. Um auf die Marienkrönung nicht verzichten zu müssen, malte man sie auf eine Seite der in Lübeck hinzugefügten Außenflügel. Sie ist heute auf der Wand rechts neben dem Altar als Einzeltafel aufgehängt; die Darstellung der anderen Seite ist verloren. Die Malerei der zweiten Ansicht zeigt acht Heilige: Olaf, Dorothea, Aegidius, Margareta, Martin und Antonius; die beiden letzten Figuren sind nicht mehr erhalten. Das Bild mit Olaf und Dorothea wird auf der Wand rechts neben der Marienkrönung - ebenfalls losgelöst vom Altar - präsentiert. Die Darstellung des Olaf ist in Lübeck häufig zu finden; seine Verehrung hat sich aus den Handelsbeziehungen der Kaufleute zu Norwegen ergeben. Ein kleiner Flügelaltar ist unvermittelt oben auf den Schrein gesetzt. Inhaltlich allerdings besteht ein direkter Bezug zu dem Hauptaltar: Die Schnitzarbeit zeigt die Geburt, die Anbetung der Könige und den Lobpreis der Engel; auf die Außenseiten wurde die Verkündigungsszene gemalt. So werden die Passion Christi, sein Erlösungstod und seine Auferstehung mit dem Beginn seines Erdenlebens verbunden, eine Zusammenschau von Weihnachten und Ostern, die besonders Bernhard von Clairvaux (1091 - 1153) in seinen Predigten gerne benutzte. Auf diesen kleinen Flügelaltar ist wiederum ein - heute leeres - Kästchen gesetzt. Dadurch wird der horizontalen Gliederung des Altars eine vertikale entgegengesetzt. So entsteht eine Stufung, dem ikonographischen Programm entsprechend. Mit hoher Wahrscheinlickeit ist anzunehmen, daß sich in dem Aufsatz eine Darstellung von Gottvater oder der Dreieinigkeit befand. Im Gegensatz zu den Lübecker Altären zeigt der Grönauer Altar, wie andere Werke flämischer Herkunft, eine besondere Betonung des Maßwerks, das deutlich Spuren serieller Fertigung zeigt. Die einzelnen Personengruppen unterscheiden sich kaum in Größe und Komposition, so daß sie austauschbar sein können. Vermutlich sind deshalb schon bei der Einrichtung des Altars zwei Szenen, die Auferstehung und Christus in der Vorhölle, miteinander verwechselt worden. 1 Der Kruzifixus ist eine Ergänzung des 20. Jahrhunderts Heise/Vogeler 1993, Kat. Nr. 1 Literatur:
Inventarnummer: 1912-28 Abbildungsrechte: St. Annen-Museum
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