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Musiktruhe

Objektbezeichnung:Musiktruhe
erweiterte Objektbezeichnung:Fernseh-Konzerttruhe "Kuba Sorrent 60"
Hersteller:Telefunken
Hersteller:Kuba Imperial
Hersteller:Valvo
Ort:Wolfenbüttel
Hannover
Hamburg
Datierung:1959
Maße:H: 97,5 cm, B: 119,8 cm, T: 47,5 cm
Material:Holz
Metall
Glas
Bei der Fernseh-Konzerttruhe "Kuba Sorrent 60" handelt es sich um ein typisches Tonmöbel der bundesdeutschen "Wirtschaftswunder-Ära". In der "gutbürgerlichen" Wohnkultur und jungen, vom Fortschrittsglauben beseelten Konsumgesellschaft der 1950er und frühen 1960er Jahre wurde derartigen Einrichtungsstücken aufgrund ihrer verhalten modernen und stilvollen Formgebung, der handwerklich sauberen Ausführung und der eingebauten hochwertigen Elektrogeräte namhafter Hersteller ein hoher Prestigewert beigemessen. Angeschafft wurde dieses Exemplar 1959 von Herbert Rautenberg bei der Ersteinrichtung der Wohnung in der Neubausiedlung Süderlücke in Flensburg-Mürwik, wo die Fernseh-Konzerttruhe viele Jahre, der enthaltene Radioapparat "Kuba-Imperial Voll Stereo-Chassis 609" sogar fünf Jahrzehnte (!), treue Dienste verrichtete. Ebenfalls im Möbel verbaut ist das Schwarzweiß-Fernsehgerät "Kuba Imperial Type 10215 Automatic" und der Schallplattenspieler "Telefunken TW 501 Stereo". Neben einem Schallplattenreinigungsutensil von Plattofix und einem Ständer für Singles sind die kompletten Beilagen der Werksauslieferung von 1959 vorhanden: Bedienungsanleitungen und Schaltpläne der drei Geräte in Papiertüten, die Garantiekarte der Bildröhre von Valvo sowie die Fernseh-Rundfunkgenehmigung des Postamtes Flensburg zur Erst-Inbetriebnahme.
Während technoide Geräteoberflächen heute als sichtbarer Ausdruck leistungsstarker Spitzenelektronik allseits akzeptiert sind, wurden sie in den Anfangsjahrzehnten elektronischer Unterhaltungsmedien bis in die 1960er Jahre hinein als störend für den Wohnkomfort empfunden. Offen liegende Bildschirme, Knöpfe, Hebel und Skalen wurden in erster Linie mit der industriellen Arbeitswelt in Verbindung gebracht, ließen an Leistungsdruck, Hektik und Lärm erinnern. Die "eigenen vier Wände" fungierten hingegen während der Aufbau- und Aufschwungjahre nach dem Zweiten Weltkrieg als befriedete Gegenwelt zum "Temporausch" auf der Straße (Massenmotorisierung) und in den Betrieben (Akkordarbeit). Dem gediegenen Ambiente der "guten Stube" mit staubfreiem Resopal-Nierentisch, gemütlichem Cocktailsessel, idyllischem Landschaftsgemälde über dem Sofa, Porzellan-Rehkitz und Mecki-Puppe mussten die stromfressenden Radiogeräte, Plattenspieler und Fernsehapparate angepasst werden. Außerhalb ihres Gebrauchs verschwanden sie somit †“ für den, der sich die Anschaffung eines hochpreisigen Tonmöbels finanziell leisten konnte †“ hinter schmucken, spiegelblank polierten Schleiflackoberflächen mit blitzenden Messingbeschlägen wie bei diesem Beispiel.
Mit der Verschließbarkeit der Fernseh- und Musiktruhen lag die Oberhoheit über den Medienkonsum in den Händen des Schlüsselbesitzers, meist des Hausherrn. Die musikalische Emanzipation der Jugendkultur gegenüber der Erwachsenenwelt fand in den 1950er und 1960er Jahren somit meist nicht vor dem elterlichen Tonmöbel statt, sondern an der Musikbox in der Eisdiele, im Jugendzimmer oder auf der Straße mit dem batteriebetriebenen Radiogerät, tragbaren Schallplattenspieler, Tonbandgerät oder Tefifon. Dieses Objekt bildet da die Ausnahme: So nutzte der Sohn des Besitzers den im Möbel enthaltenen Telefunken-Plattenspieler †“ mit oder ohne Einverständnis des Vaters ist leider nicht bekannt †“ zum Abspielen seiner ersten Singles von Elvis Presley, für viele deutsche Zeitgenossen Inbegriff amerikanischer "Negermusik".
Für den bevorzugten Wohnstil, ob avantgardistisch-modern (Modell "Komet"), südländisch-chic (Modell "Adria"), im Zuge der Soraya-Begeisterung im morgenländischen Dekor von 1001 Nacht (Modell "Teheran") oder im vielfach gescholtenen, aber nicht minder populären sog. "Gelsenkirchener Barock" (Modell "Antik"): Kuba hatte für jeden Geschmack ein passendes Möbelstück zu bieten. Der exotisch anmutende Firmenname leitete sich vom Nachnamen des Unternehmensgründers Gerhard Kubetschek (1909-1976) ab und weckte unter Bundesbürgern zugleich sehnsüchtige Träume vom karibischen Inselglück †“ zumindest bis Revolutionär Fidel Castro auf der weltpolitischen Bildfläche auftauchte. Um den Produkten einen Hauch von Innovation und Zukunftsorientierung zu verleihen, wurden die Modellserien stets mit der Zahl des Folgejahres versehen.
In diesem Fall war es das als typisch deutsch begriffene Fernweh nach den sonnigen Gestaden Italiens, das diesem Möbel von 1959 den Namen gab: Sorrent, die süditalienische Stadt auf der gleichnamigen Halbinsel zwischen dem Golf von Neapel und der Amalfiküste, bot sich mit ihren lieblichen Orangen- und Zitronengärten und viel gerühmten Sonnenuntergängen als massenwirksamer Sehnsuchtsort förmlich an. Dank des allsommerlichen deutschen Touristenzustroms vermochte der Ortsname bei vielen Bundesbürgern Urlaubserinnerungen oder doch wenigstens träumerische Assoziationen vom südländischen "Dolce Vita" aufleuchten zu lassen. Die Namensgebung dieses Tonmöbels erweist sich allerdings auch als vielsagend mehrdeutig für ein Unterhaltungsmedium †“ ob vom Hersteller mit Ironie gewollt oder ungewollt ist unklar: So soll der Ortsname Sorrent auf den verhängnisvollen Gesang der Sirenen aus Homers "Odyssee" zurückgehen.
Fast unverzichtbar für ein Tonmöbel in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre war der eingebaute Fernsehapparat. Mit der international zeitgleich übertragenen Krönung der britischen Königin Elisabeth II. im Jahr 1953 und der von vielen Deutschen als mental befreiend empfundenen siegreichen Fußball-Weltmeisterschaft im Folgejahr ("Wunder von Bern") war der televisionäre Siegeszug in deutschen Wohnstuben angestoßen worden; 1957 waren bereits eine Million Fernsehteilnehmer registriert; zehnmal soviel schon im Jahr 1964, Tendenz weiter steigend.
Diesem Trend vermochte sich Kuba rechtzeitig anzuschließen: In den Anfangsjahren hatte die 1948 in Wolfenbüttel gegründete Firma zunächst nur die Möbelgehäuse getischlert; die Geräte wurden zunächst noch von angesehenen deutschen Elektronikherstellern wie Nordmende, Telefunken, Loewe-Opta, Graetz oder SABA bezogen. Im Jahr 1958 sicherte sich der Konzern mit Ankauf der renommierten Continental Rundfunk GmbH in Osterode am Harz die Kompetenz und die Technik zur Herstellung von audiovisuellen Empfangsgeräten. Die erweiterte Unternehmensgruppe firmierte fortan unter dem Namen "Imperial Rundfunk und Fernsehwerk GmbH" und führte den auf dem Tonmöbelmarkt etablierten Namen "Kuba" weiterhin als Beinamen. Auf dem Zenit des Erfolges in den 1960er Jahren unterhielt der Konzern vier Produktionsstätten in Wolfenbüttel, Braunschweig und Osterode am Harz, verfügte über ein eigenes Holzverarbeitungswerk, beschäftigte insgesamt über 4.000 Mitarbeiter und war mit einem Jahresumsatz von etwa 220 Millionen D-Mark der drittgrößte Hersteller von Radio- und Fernsehgeräten auf dem bundesdeutschen Markt. Kubetschek vollzog damit eine geradezu bilderbuchhaft wirkende und für die Gründerära der sozialen Marktwirtschaft stereotyp anmutende Unternehmerkarriere: vom nahezu mittellosen schlesischen Flüchtling, aber findigen Tüftler zum Chef eines namhaften Großkonzerns. Mit dem Verkauf des Unternehmens im Jahr 1966 an die US-amerikanische General Electric-Gruppe zog sich der Firmengründer auf den Posten des Geschäftsführers und nach 8 Monaten auf den des Vorstandmitglieds zurück. Kuba-Imperial konnte zwar noch am neuen Markt für das 1967 in der Bundesrepublik eingeführte Farbfernsehen erfolgreich teilhaben; doch nach dem Weiterverkauf des Konzerns an AEG-Telefunken Ende der 1960er Jahre kam 1972 das endgültige Aus für den niedersächsischen Unterhaltungselektronikhersteller. Der Markenname "Kuba" wird heute von einer ostasiatischen Firma für den Bau von modifizierten Repliken alter Modelle in exklusiver Einzelanfertigung weitergenutzt.

Literatur:
  • http://www.kuba-museum.de
  • http://de.wikipedia.org/wiki/Kuba-Imperial
  • http://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Kubetschek
  • http://de.wikipedia.org/wiki/Telefunken
  • http://www.radiomuseum.org

Inventarnummer: 2009VK48

Abbildungsrechte: Freilichtmuseum Molfsee - Landesmuseum für Volkskunde