In seinen Gemälden, Materialbildern und Objekten beschränkt sich Günther Thiersch auf die Motivwelt der Technik. Darstellungen von Mechanismen und einzelnen Details wie Räderwerk, Schaltuhren und Ketten fügt er in fiktiven, teils unsinnigen Verbindungen zusammen in - lediglich künstlerischen Gesetzen folgenden - Kompositionen, die dennoch als funktionstüchtige Apparaturen erscheinen. Auffallend ist dabei die naturalistische, in ihrer Präzision und Detailtreue dem zeitlich parallelen Fotorealismus verwandte Position einer realistischen Darstellungsweise, die dennoch formal wie motivisch eine originäre Stellung beansprucht. Wie in diesem Werk aus dem Jahr 1972 verwirft Thiersch in seinen »Technischen Kompositionen« eine für den Betrachter zugängliche Raumsituation, der stattdessen einen Standpunkt in unmittelbarer Frontalität zu einem Wandausschnitt einnimmt. In einem monochromen Grau dominiert sie die Bildfläche. Das vor diesem Hintergrund hervortretende Weiß einer als Halterung dienenden Platte lenkt den Blick auf eine »kleine Maschine«, die dort an der Wand befestigt ist. Von ihr führt eine Rohrverbindung zu einem hinteren Raum, der am rechten Bildrand die Assoziation eines Maschinenraums entwirft. Thiersch bildet die Plastizität der technischen Gegenstände akribisch durch Modulation von Licht und Schatten heraus. Jedoch vermeidet er perspektivische Verzerrungen und Schrägen wodurch die - lediglich mittels Überschneidungen und Gegenstandsschatten auf der Wand - suggerierte Tiefe des Bildraums minimal gehalten wird. Das Fehlen eines Anzeichens von Leben entspricht der kühlen Atmosphäre, die auch durch die im Bild überwiegenden Grautöne transportiert wird.

(Nadine Grünewald)

Literatur:

• Zeigerer, Wolfgang (Hrsg.) / Kruska, Peter (Hrsg.): Stadtgalerie Kiel - Einblicke in die Sammlung, Kiel 2013

Inventarnummer: 4957

Signatur: Klebezettel (rückseitig: Günther Thiersch, Technische Komposition, 11/1972, Öl auf Leinwand 100 x 100 cm)