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New York Post |
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Der Spurensucher Raffael Rheinsberg (geboren 1943 in Kiel, verstorben 2016 in Forst, Hunsrück) sah in jedem Gegenstand eine Seele, "lebendige Spuren des Vergangenen". So bildeten Fundstücke, aus der Gebrauchs- und Warenwelt schmählich entlassene Gegenstände und Materialien, die Konstante seines künstlerischen Schaffens. Anfangs eher zufällig aufgefunden und ganz im Geiste der Dadaisten zu assoziations- und beziehungsreichen Sinnzusammenhängen zusammengefügt, systematisierte Rheinsberg seine Arbeit mit den Fundstücken nach und nach. Er gelangte zur Untersuchung ortsspezifischer Gesamtsituationen und entwickelte eine strengere Formsprache, indem er thematisch gleichartige Gegenstände konsequent reihte und in geordneten Feldern präsentierte. Ausgehend vom Gebrauchsgegenstand setzte sich Rheinsberg stets mit der konkreten Wirklichkeit auseinander, bezog Stellung zu politischen und gesellschaftlichen Themen, und gab sich durchaus kämpferisch. Als Materiallager, Wohnung und Atelier diente ihm ein "friedlich besetztes" Abbruchhaus im Kieler Sophienblatt 22/24. Rheinsberg baute es zunächst zum "Laboratorium", später zum "Museum der Dinge" aus, bis es 1983 endgültig abgerissen wurde. 1988, als Raffael Rheinsberg bereits seit neun Jahren in Berlin lebte und arbeitete, eröffnete im Nachfolgebau die Stadtgalerie Kiel mit einer Retrospektive des Künstlers, deren zentrales Werk die "Koffermauer - Klagemauer" war. Die Arbeit "New York Post" entstand 1983, im Anschluss an Rheinsbergs einjährigen Aufenthalt in New York, und ist ein frühes Beispiel für seine großflächigen, auf dem Boden angeordneten Tableaus: Es bestehent aus zwei übereinandergeschichteten Feldern: zuunterst 70 Exemplare des New Yorker Boulevardblattes, darüber 70 Beschwerungsgegenstände. Rheinsberg sammelte die Zeitungen samt ihrer "Beschwerer" während seines Aufenthaltes in New York ein. Letztere sollten die jeweils obersten Zeitungsexemplare vor dem heftigen Wind Manhattans schützen, als Rheinsberg sie unauffällig gegen andere Fundstücke seiner Sammlung austauschte und schließlich mit nach Deutschland brachte. Sein Formprinzip ist die serielle Reihung, für Rheinsberg "das neutralste Ordnungsprinzip, dem sich alle Objekte und Objekt-Fragmente unterordnen müssen." Durch ihre Überführung in den musealen Kontext werden die Gebrauchsgegenstände ihrer ursprünglichen Funktion beraubt; sie wirken merkwürdig fremd und entfalten gerade dadurch eine neue, reizvolle Ästhetik. Neben der ästhetischen Dimension hat jedes Fundstück "seine eigene und öffentliche Herkunftsgeschichte, sein eigenes Gedächtnis, seine eigenen Erinnerungen, die [...] in ihrer Gesamtheit so etwas wie das [...] Archiv der menschlichen Lebens- oder Arbeitsspuren [darstellen]. So ist das Tableau zugleich das Konzentrat eines ganz bestimmten Zeitabschnitts; ablesbar an Gebrauchsspuren der Dinge, in den Verletzungen ihres Materials, in ihrem eigenständigen Altern. So ist häufig der eigentliche Gegenstand der Betrachtung bei den Tableaus von Raffael Rheinsberg die vergangene Zeit, die er mit seinen Fundstücken noch einmal in den Augenradius des Ausstellungsbesuchers zurückholt. Also: Die Musealisierung der Zeit." (Walter Aue 2002, o.S.) Die Titelseiten der New Yorker Tageszeitung stellen einen Bezug zur Tagespolitik und zu konkreten Weltereignissen her, der "diese frühe Arbeit geradezu programmatisch" für Rheinsbergs gesamtes künstlerisches Schaffen werden lässt. (Zeigerer 2002, o.S.) (Jessica Wieczorek) Literatur:
Inventarnummer: 6221 Signatur: keine Signatur Abbildungsrechte: Stadtgalerie Kiel |
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