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Uranoplastik

Objektbezeichnung:Zeichnung
Sachgruppe:Allgemeine Chirurgie
Künstler:
Wittmaack, Johann Heinrich
Ort:Kiel
Datierung:1862
Maße:H: 26,6 cm, B: 17,4 cm
Material:Karton
Technik:Bleistift
Die fein ausgeführte Bleistiftzeichnung zeigt ein 17jähriges Mädchen, das 1862 von Esmarch operiert wurde. Assmussen hat in seiner Dissertation dieses Mädchen und den Jungen (Inv.-Nr. G 1990-16) beschrieben. Dort werden der präoperative Zustand, die eigentliche Operation und der weitere Heilungsverlauf ausführlich erörtert (1). Das hier vorgestellte Porträt ist vor der Operation gezeichnet. Die Lippe ist durch narbige Schrumpfung, wohl durch einen im Kindesalter vorangegangenen operativen Eingriff, verzogen. Die Zeichnung links unten zeigt den geöffneten Mund mit stark vorspringendem Zwischenkiefer, fehlstehenden Frontzähnen und einer Spalte im harten und weichen Gaumen. Rechts ist als schematisierende Skizze die Schnittführung am Alveolarfortsatz zur Mobilisation der Knochenhaut-Schleimhautbrücken und deren Vereinigung in der Mitte durch einzelne Nähte hervorgehoben. Diese Schnittführung zur Mobilisierung der Weichteile schont die Gefäße und Nerven des harten Gaumens. Im operativen Ablauf ist eine starke Blutung beschrieben, die zu zeitweiliger Unterbrechung der Operation zwang. Esmarch verwandte das speziell von Langenbeck empfohlene sichelförmige Messer und die für die Operation von Langenbeck entwickelten Instrumente (2). Zur Vereinigung der mobilisierten Schleimhautperiostbrücken wurden 1 Silber- und 8 Schneidenähte verwandt. Diesen Zustand zeigt die Fig. 3 der Illustration.
In den ersten Tagen nach der Operation traten Fieber und übler Mundgeruch auf. Die Berührungsempfindung im neugebildeten Gaumen war wie gewünscht erhalten geblieben. Aus den seitlichen Einschnitten eiterte es. Es wurde lokal mit Mundspülungen behandelt. Auch am 3. und 4. Tag trat leichtes Fieber auf, und die Naht am Übergang vom harten zum weichen Gaumen wurde auf etwa 1 1/2 cm dehiszent. Die Patientin befand sich sonst wohl. Die Seitennähte konnten am 4. Tag entfernt werden. Am 10. Tag nach der Operation wurde die Silbernaht entfernt, und die Patientin verließ das Bett. Vier Wochen später wurde nach Erholung der Patientin der Verschluß der Lippenspalte vorgenommen. Die weit vorstehenden Schneidezähne ohne Lippenbedeckung wurden entfernt und der Vomer zur Rückverlagerung des Zwischenkiefers reseziert. Nach Mobilisation der Lappen gelang jetzt die Vereinigung der Lippenspalte mit einzelnen Seidennähten und zwei Nadeln, die mit Garn umwunden wurden. Es wurde also die Nahttechnik verwandt, die in Inv.-Nr. G 1991-41 gezeigt wird.
Der weitere Verlauf ist durch eine Infektion kompliziert. Es trat erneut Fieber auf, die Lippe war stark geschwollen und gerötet und heilte dann ab. Zwischen Philtrumrand und seitlicher Lippe verblieb ein unvereinigter Winkel. Weitere vier Monate später, im Mai 1863, wurde die Patientin noch einmal aufgenommen. Man versuchte in einer dritten Operation, die Restspalte im Übergang vom harten zum weichen Gaumen zu verschließen, was aber mißlang.
Bei der Betrachtung der vorliegenden fein ausgeführten nuancenreichen Bleistiftzeichnung und der Taf. 1 in der Dissertation als Holzschnitt werden die Probleme der Umsetzung solcher Zeichnungen in ein Vervielfältigungsverfahren deutlich. Die Schattierung ist im Druck wenig geschickt, zum Teil als grobe Kreuzschraffur ausgeführt. Durch die plumpe Linienführung gehen die Feinheiten der Haube und der Haare verloren. Die Modellierung der Gesichtszüge ist härter geworden. Warum die beiden Detailskizzen (Fig. 2 und 3) im Druck in der Arbeit Assmussen seitenvertauscht wurden, ist nicht nachvollziehbar.

Hans-Helfrich Petersen, in: Jörn Henning Wolf und Franz Härle (Hg.): Krankheiten des Gesichts in künstlerischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts, Neumünster 1994, S.56-57, Kat. Nr. 8.


1 Assmussen, E.: De Uranoplastice. Med. Diss. Kiel 1863. Mohr, Kiel 1864 (=Schriften der Universität zu Kiel, 10), Taf. I-III
2 Brief Esmarch an Stromeyer, dat. 20.11.1862, abgedr. in: Rogge, R.: Der Briefwechsel zwischen Louis Stromeyer (1804-1876) und Friedrich von Esmarch (1823-1908). Ein Beitrag zur Geschichte der Chirurgie im 19. Jahrhundert. Wachholtz, Neumünster 1974 (= Kieler Beiträge zur Geschichte der Medizin und Pharmazie, 12), S.72

Literatur:
  • Wolf, Prof. Jörn Henning (Hrsg.) / Franz Härle (Hrsg.): Krankheiten des Gesichts in künstlerischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts (= Kieler Beiträge zur Geschichte der Medizin und Pharmazie, 21), Neumünster: Wachholtz Verlag, 1994

Inventarnummer: G-1990-007

Signatur: signiert und datiert (u.r.: Gez: J. Wittmaack. 1862)

Signatur: beschriftet (o.l.: Tab: 1)

Signatur: beschriftet (o.M.: Fig: 1)

Signatur: beschriftet (u.l.: Fig: 2)

Signatur: beschriftet (u.r.: Fig: 3)

Signatur: beschriftet (verso, angeklebtes Blatt: Uranoplastik)

Abbildungsrechte: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung


Ikonographie:     
Hasenscharte
     
Operation, Chirurgie