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Der halbe Spaß der Poesie ist Sensibilität |
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Walter Stöhrer (1937-2000) gehörte zwischen 1956 und 1959 zum Schülerkreis von HAP Grieshaber an der Karlsruher Kunstakademie. Als er dort zusammen mit Dieter Krieg und Horst Antes studierte, fanden alle drei ? beeinflusst von ihrem Lehrer ? den Weg zur gegenständlichen Malerei. In einer Zeit, in der die ungegenständliche Kunst (Informel) maßgebend war, erscheint dieser Schritt rückblickend als wichtige Zäsur. Walter Stöhrer war jedoch derjenige aus dem Schülerkreis, der die Grenze zwischen abstrakter und figurativer Malerei stetig ausreizte. In seinen farbenprächtigen Gemälden entdeckt man oft erst auf den zweiten Blick die gespensterhaften Gestalten und Gesichter. Kinderzeichnungen und Graffiti auf Hauswänden regten ihn dazu an. Er strebte eine intuitive Malerei an, die allein aus der Geste entsteht und nicht auf vorhergehenden Überlegungen basiert. Zeitgleich gab es einige europäische Künstler, die nach einer vergleichbaren Methode suchten und die Stöhrer natürlich kannte. So bewegte sowohl die nordeuropäische Künstlergruppe CoBrA als auch den französischen Maler Jean Dubuffet die Frage, wie eine unverstellte, frei von tradierten ästhetischen Vorstellungen geprägte Bildpraxis möglich sein könnte. Die Zeichnungen von Kindern oder von psychisch Kranken erschienen ihnen als Quelle einer ursprünglichen Bildgenese. Stöhrer entwickelte jedoch ab den 1960er Jahren einen ganz eigenständigen Umgang mit der Figuration: Gegenständlichkeit entsteht in seinen Gemälden nicht nur durch die Referenz an Kinderzeichnungen, sondern auch durch die Suggestionskraft der Sprache. Sein Malprozess setzte mit einem mehr oder weniger gut lesbaren Zitat auf der Leinwand ein. In den Werktiteln wiederholte er die jeweiligen Textzeilen und offenbarte dadurch deren Bildmächtigkeit. Das Gemälde Der halbe Spaß der Poesie ist Sensibilität(1990) verdeutlicht diesen Ansatz, den er bis zu seinem Lebensende im Jahr 2000 konsequent verfolgte. In der oberen rechten Ecke lässt sich in roter Farbe die besagte Textzeile erkennen, die er einem Gedicht von Jim Gustafson für Frank O?Hara entnahm. Links daneben steht eine seiner charakteristischen Kritzelfiguren. Breite horizontale Bänder in gelb, rot und schwarz umfließen Figur und Schrift. Im unteren Teil ist das Gemälde flächendeckend bemalt; der Farbauftrag scheint mit großer Geschwindigkeit geschehen zu sein und beim Wechsel der noch nicht getrockneten Farben arbeitete Stöhrer mit den zufällig entstandenen Vermischungen. Nach oben hin laufen die Farben aus, das seitlich eingesetzte Blau züngelt zwischen der Schrift und hinterlässt freie Leinwand. Die Zitate sammelte Stöhrer bei seiner vielseitigen Lektüre. Rainer Maria Rilke, André Breton und Paul Valéry gehörten ebenso dazu wie Charles Bukowski. Seine Gemälde sind jedoch nicht als Illustrationen eines bestimmten Textes zu verstehen. Die Schrift wird in Stöhrers Werk zur Zeichnung, zur Linie und zum kompositorischen Element. Die Über- und Ummalungen der Worte in kräftigen Farben und mit starken Gesten werden wiederum zum abstrakten Zeichen, zu einem nicht entzifferbaren Alphabet. Schrift, Linien, dicker Farbauftrag gehen ineinander über und verbinden sich zu einer aus der Geschwindigkeit und Momenthaftigkeit begründeten großflächigen Bewegung. Simone Schimpf Inventory Number: 887wast Image rights: Provinzial Kunstsammlung |
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